Wer kennt ihn nicht, den Schatz vergraben auf einer einsamen Insel, nur zu heben mit Hilfe einer Schatzkarte, nach Überstehen vieler Abenteuer … So verschieden wir Menschen sind, so unterschiedlich ist unser Verständnis vom Schatz. Diese Anthologie enthält eine Truhe voller Geschichten von sehr unterschiedlichen Autoren, die uns zeigen: es gibt ihn wirklich, den Schatz – vielleicht nicht auf einer einsamen Insel, sondern bei mir direkt vor der Haustür,mitten im Wald, im Urlaub, in den Augen eines Kindes … Dieses Buch unterstützt die Aktion Lichtblicke e. V. mit 1 Euro.

Autoren: Amalia Koslowski, Barbara Schilling, Claire Ogro, Grete C. Roth, Hans W. Grössinger, Judith Le Huray, Julia Fargg, Maryanne Becker, Matthias Gerschwitz, Rita Hajak, Ursula Ellis – Hrsg. Birgit Fabich (www.birgitfabich.de)

Leseprobe Barbara Schilling

Ein echtes Schmuckstück …

[…] Sonntag Nachmittag: Wir haben uns erfolgreich um ein familiäres Kaffeekuchen-Meeting gedrückt und durchstöbern mit erhitzten Gesichtern im Internet die viel versprechende Seite „Eigenheim-Schätzchen“, gleich in der Rubrik „Stadt-Villen in unserer Nähe“. Die Bilder sind traumhaft und kommen unseren Vorstellung schon sehr nahe. Die Preise hingegen sind dann doch eher alptraumhaft. Bei den schönsten, „Ach schau mal, der Garten mit Pool dazu wäre perfekt!“, sind die Kaufpreise vorsichtshalber gar nicht erst aufgeführt; vermutlich eine weitere Maßgabe barrierefreier Internetseiten: Der User ist vor einem plötzlichen Herzanfall zu schützen! Wir verabschieden uns von dem Schwimmbad über den Dächern der Stadt, genauso wie von den fünf Bädern (drei davon mit Erholungs- und Saunalandschaft), und ändern in der Suchmaske den Begriff „Traumvilla“ in „Traumhaus“. Zuerst denken wir, der Laptop hätte den Suchbegriff nicht angenommen, denn die Preise haben sich kaum geändert. Wir ändern leicht irritiert ein paar weitere Parameter: Aus „Grundstück“ wird „Garten“, aus „inklusive Poolhaus“ wird, „inklusive Gartenschuppen“ und aus „Minimum fünf Zimmer“ wird „Maximum vier Zimmer“: Enter! Nix: Neue Fotos, aber beinahe die alten Preise – lediglich unwesentlich nach unten korrigiert. Mein Lebensabschnittsgefährte überprüft die Internetverbindung und faselt etwas wie: „Die Seite ist noch nicht neu geladen.“ Dann hämmert er erneut ein wenig panisch auf die Tatstatur ein. Doch so schnell geben wir nicht auf.

Nach anderthalb Stunden, ich habe inzwischen Tee gemacht, die Wäsche aufgehängt, unseren Hund Gassi geführt und das Lexikon auswendig gelernt, rege ich einen Kriegsrat an. Es wird schnell klar, dass wir mit unseren paar, noch vom Babysitten und Aushilfskellnern überlebten, zusammengekratzten Kröten keine großen Sprünge machen können. „Eigentlich nicht mal kleine Hüpfer“, konstatiere ich und verabschiede mich in Gedanken bereits von der geplanten gigantischen Sonnenterrasse und dem Whirlpool mit rückengerechter Wechselbeleuchtung. Doch mein Mitbewohner lässt sich nicht umstimmen. „Wenn unser Erspartes nicht reicht, muss eben eine Finanzierung her, mein Schatz.“ „Hm, Abzahlung auf dreimal Lebenszeit“, denke ich, pflanze mich aber wieder neben ihn und starre hoffnungsvoll auf den Bildschirm – Wunder gibt es ja bekanntlich immer wieder …
Auf einer sehr professionell wirkenden Immobilienseite treffen wir unseren virtuellen Hilfsberater Herrn Schuhmann. Herr Schuhmann ist ein Immobilienfuzzi, wie man ihn nicht besser beschreiben könnte. Nett, aber nicht aalglatt. Seriös, aber nicht langweilig. Jung, aber nicht zu jung. Alt, aber nicht – und so weiter und so weiter. Da wir etwas von ihm wollen, bemühen wir uns Mister Perfekt außerordentlich freundlich gegenüberzutreten. Er soll uns mögen und uns, nur uns, diesen „wahnsinnsheißen Insider-Tipp bezüglich eines echten Schmuckstückes zum Schnäppchenpreis“ geben. Ich ahne schon, dass es bei soviel „Traum“-Gedusel wohl auch bei einem solchen bleiben wird.
Nachdem uns Herr Schuhmann eine Viertelstunde lang ausgequetscht hat, er wollte wirklich alles wissen!, vom jetzigen Wohnort und den vorangegangenen bis hin zum gewünschten, über Beruf, Freunde, Hobbies, Lieblingsessen, Augenfarbe und Schuhgröße bis hin zu sexuellen Vorlieben als Multiple Choice Seite, die meisten Begriffe mussten wir mit roten Köpfen nachschlagen, schien das millimetergenaue Durchleuchten endlich beendet zu sein. Doch zu früh gefreut: Erst als wir endlich die Fragen zur politischen Einstellung und die Angaben zu ethischen Konzepten durchgestanden hatten, bleibt der Bildschirm bei den Zahlen hängen.
„Mann, ich will doch einfach nur eine einfache Grobkalkulation“, stöhnt mein Freund.
„Jetzt haben wir es fast geschafft“, antworte ich, während ich meinen rauchenden Kopf mit frischem Weißwein kühle. (Wir sind ziemlich schnell von Tee auf Wein umgestiegen.)
„Gehalt“, steht in Großbuchstaben neben einem leeren Feld auf dem Bildschirm. Naiv wie wir sind, geben wir anfangs nur das Gehalt einer Person ein, genauer gesagt: meiner Person – schließlich müssen wir nicht nur wohnen, sondern auch essen und trinken, und das wird dann vom zweiten Gehalt gezahlt (Unser Wein zum Beispiel muss ja auch finanziert werden …). Nachdem wir den Betrag eingegeben haben – es ist in diesem Kästchen so verdächtig viel Platz vor der ersten Ziffer – und gespannt warten, bahnt sich eine weitere Demütigung den Weg durch das World Wide Web: Es erscheint ein fies lachendes Männchen auf dem Bildschirm! Vor Lachen zappelnd weist es immer wieder mit ausgestrecktem Finger auf die Bezifferung meines Nettogehaltes. […]