Freudestrahlend erklärt mir mein Freund: „Heute gehen wir shoppen!“ Angeblich tun das ja naturgemäß ALLE Frauen gern. Nun … Ich nicke schwach und füge mich ins Unvermeidliche, denn ich weiß, wenn er DAS sagt, bedeutet das: mind. 2 h Männerwunderland = Mediamarkt. Unter shoppen stell ich mir eigentlich ein cooles Flair mit extravaganten Läden, trendigen Accessoires und romantischen Straßencafés vor – und weniger „‘Survival of the fittest‘ spielen“, was schon beim Parkplatzsuchen auf den Decks des Einkaufszentrums beginnt. Denn immer wenn ich mich mal in so eine Mall traue, ist es so voll, als wäre gerade eine erneute Tschernobylwarnung mit Hamsterkaufempfehlung herausgegangen. Ich bin dann immer erstaunt, dass meine Stadt überhaupt so viele Einwohner hat; na ja, wahrscheinlich reisen auch einige von „Außerhalb“ an – anders ist der kaufwütige Mob nicht zu erklären …
Nach der üblichen mittelschweren Diskussion über mein technisches Desinteresse gebe ich meinen Freund bei Mediamarkt wie die Eltern ihre Kids im Ikea-„Kugellager“ ab: „So, jetzt spiel schön. Und wenn du lieb bist, hol ich dich nachher wieder ab – oder nächste Woche …“ Jetzt habe ich Zeit und Ruhe für die wirklich wichtigen Dinge: Ich bahne mir den Weg zwischen muttermilchrülpsenden Babys, eistropfenden Kleinkindern in monströsen bunten Plastikcars und verirrten Vätern mit Schweißperlen auf der Stirn, zwischen Hüftjeans-Queens und Lederjackenimitat-Fetischisten zum Buchladen durch. Puh – hier lässt es sich aushalten. Als ich mich an den Diätwahn-, Steuertipps- und „Kreative Häkelideen“ Regalreihen vorbeigearbeitet habe, kann ich endlich entspannen.
Ups, zwei Stunden und vier Wadenkrämpfe später, mach ich mich wieder auf den Weg. Dummerweise komme ich immer, wenn ich eigentlich nur ein Geschenk suche, immer mit einem Halb-Dutzend Bücher für mich selbst heraus. Jedes Mal verfluche ich meine ungezügelte Gier, auch noch gleich am Anfang der Einkaufstour zu zu schlagen: Jetzt muss ich den Rest des Tages mit acht Kilos Papier zwischen überteuerten Buchdeckeln herumlatschen. Ich mache noch einen Abstecher in den ultracoolen Laden, in dem ich mir angesichts der nicht jugendfreien Klamotten und der E-Musik, von der ich regelmäßig Kopfschmerzen bekomme, so alt fühle, wie ich tatsächlich bin.
Am Bäcker verschnaufe ich. Hier hängen irritierend schöne Fotografien von herrlichen wenig bekleideten Frauen in Überlebensgröße – zumindest kommt es meinen entzückt geweiteten Augen stets so vor –, die erotisch mit überdimensionierten Backwaren agieren. Ich habe einen roten Kopf, als ich an der Reihe bin und stottere: „Zwei Titten äh Schrippen bitte!“ Ich fliehe – nicht ohne noch einen bewundernden Blick auf die himmlischen Bilder zu werfen, dieses Licht, diese Models – sehr appetitlich.
Ich schlendere, erst gemächlich dann hastig, denn meine Büchertüte droht zu reißen. Unter dem anheimelnden Licht der Neonröhren lässt sich deutlich eine Veränderung ausmachen: Schon Meter vor dem „Geschäft der Geschäfte“ säumen selig glänzende, gierig glänzende oder enttäuscht glänzende Kinderaugen meinen Weg. Ich nähere mich dem Ort, der zugleich Paradies und Kriegsschauplatz sein kann.„Toys’r’us“ : Der Konsumtempel für alle, die aufrecht unter einer Bahnschranke hindurchgehen können – und deren Väter, die dem Eisenbahnalter nie wirklich entwachsen sind. An dieser Stelle möchte ich eine Warnung aussprechen: Zur Weihnachtszeit ist dieser Laden inkl. der Umkreis von fünf Metern unbedingt zu meiden – absolutes Sperrgebiet! Es droht Todesgefahr. Zum Einen, von übergewichtigen Grundschülern bei ihrer gierigen Jagd nach Unterhaltung rücksichtslos totgequetscht, zum Anderen von verzweifelten Eltern auf der Stelle totgequatscht zu werden! Beliebt sind aufgrund der gesundheitsgefährdenden Lautstärke, vor allem im oberen Frequenzbereich, auch spontane Hörstürze – ein Selbstschutz des Körpers.
Im Kaufrausch gleicht dieser Teil des Einkaufszentrum einem Minenfeld: Auf jedem Quadratmeter lauern Minibomben – lassen Sie sich von den Schmetterlingszopfspangen oder Spongebob-Shirts nicht täuschen, alles taktisches Manöver -, die jede Minute drohen hochzugehen. Wenn Sie sich solch einer explosiven Mischung kaugummikauend gegen über sehen, ist Ihre einzige Chance: Zahlen Sie, zahlen Sie jeden geforderten Preis in Barbies, Legosteinen oder Matchboxautos.
Und lernen Sie daraus: Shoppen ist nur in der Werbung ein Vergnügen!
PS. So, nun muss ich aber zurück, bevor der Elektrofachhandel zumacht und meinem Freund den größten heimlichen Wunsch seit seiner Kindheit erfüllt: Dort einmal über Nacht mit den all den Tausenden Geräten eingeschlossen zu werden …